Der Name Schlecker ist momentan so negativ belastet, wie kaum ein zweiter in der deutschen Einzelhandelslandschaft. Billiglöhne, falsche Firmenpolitik, Insolvenz und nun Massenentlassungen.
Ich aber verbinde mit Schlecker noch viel mehr. Meine erste Haarfarbe kaufte ich bei Schlecker, genau wie den ersten eigenen Lippenstift. Damals war der Schlecker hier im Stadtteil in der ehemaligen Serosammelstelle untergebracht. Das Gebäude (welches heute übrigens einen Dönerladen beherrbergt ) mass 4 x 7 m und hatte das gleiche Sortiment wie heute der 150qm Schlecker im Einkaufszentrum. Auch die erste Windel und die erste Flasche meines Sohnes stammten von Schlecker.
Schlecker gehört für mich zu den Nachwendeunternehmen die meine Jugend prägten, ähnlich wie Spar und Edeka.
Die Frage ob die Firmenleitung bzw. die Familie Schlecker richtig oder falsch gehandelt hat, interessiert mich ehrlich gesagt wenig...sie haben Fehler zugegeben und waren schon vor der Insolvenz bereit diese durch Änderung der Firmenpolitik zu berichtigen. Jeder von uns macht Fehler, ehrenhaft ist wenn man sie zugibt.
Was für mich zählt und gerade solche Unternehmen ausmacht, sind die Mitarbeiter. Schlecker hat mehr Angestellte als das "grossen" deutsche Unternehmen Opel. kaum vorstellbar wenn Opel in Deutschland Insolvenz anmelden würde. (wie viel Geld floss nochmal in die Abfrackprämie???)
Sicher ist die Insolvenz von Schlecker hausgemacht, doch was können die Angestellten dafür, die jeden Tag mit einem Lächeln im Laden stehen, die als es im Zuge der Insolvenz keine Warenlieferungen mehr gab, die Regal liebevoll mit den verbliebenen Waren auffüllten, so dass der Laden nicht völlig ausgebombt aussah.
Zeitweilig bestand der Schlecker hier vor Ort zu 75% aus Klopapier und Blasentee.
Das sozial in soziale Marktwirtschaft kann auch als Mitgefühl definiert werden. Jede Insolvenz geht mir nahe ob nur vom kleinen Bäcker an der Ecke, von Schlecker oder von Quelle, immer stecken dahinter Menschen und Schicksale. Die von den Angestellten aber auch von Unternehmern die ein Lebenswerk untergehen sehen oder gar das über mehrere Generationen geführte Familienunternehmen.
Es geht nicht um die bösen, bösen Kapitalisten die, den Mut hatten in einer Marktwirtschaft etwas zu schaffen, es geht um die Menschen die hinter so einem Unternehmen stehen.
70% alle Mutigen, die den Schritt in die Selbstständigkeit wagen scheitern, richtig ist sie bekommen keine Auffanggesellschaften . Doch sie scheitern nur alleine oder vielleicht noch mit ein oder zwei Angestellten. Zumeist sind Ihre Ideen nicht durchdacht oder es trifft unvorhergesehenes ein. Tja Pech denken wir ...
Im Falle von Schlecker sieht es anders aus ... ein mieses Image, die letzten Jahre und die typische deutsche Gerechtigkeit "der war böse, gut das er scheitert" führen dazu, dass die Schlecker Insolvenz fast schon als positiv empfunden wird.
Was aber ist mit den 25000 Angestellten, vorallem Frauen, oft Mittleren Alters die nach Kindererziehung wieder versuchen Fuß zufassen, oft aus anderen Berufen in denen sie keine Chance mehr haben und somit ungelernt. Verdienen sie diese Gehässigkeit? Denn "Hähä Schlecker ist pleite" bedeutet auch "HäHä Schleckerangestellte verdienen es gekündigt zu werden". Schlecker zahlt zuwenig wiegt sich mit 69% von wenig doch wieder auf. Nur ein gesunden Unternehmen kann höhere Löhne zahlen und auch Schlecker wird zukünftig den Spagat zwischen Gewinn und gerechten Löhnen leisten müssen. Aber kurzfristig ist geringer Lohn besser als keiner. Hier greift auch die Frage nach dem gesetzlichen Mindestlohn.
Wir stecken in einem Zwiespalt, der sich schon aus dem Begriff Soziale Marktwirtschaft ergibt. Wie weit darf der Staat in die Wirtschaft eingreifen, wie weit muss er und dem Sozialen gerecht zu werden.
Was ist fair und was unfair? Wann wird eine Insolvenz zum Spielball der Politik? Was kann man Retten, was muss und sollte man Retten?
Eigentlich hatte ich jetzt noch vor, mich über Bergbau Subventionen, Butterberge und Milchsee, Banken und Eurorettungschirm auszulassen. Ich denke aber diese Probleme sind jedem bekannt.
Vielleicht sollten wir uns einfach mal überlegen, was wir sagen würden, wenn das Unternehmen nicht Schlecker hieße und nicht so einen schlechten Ruf hätte. Wenn wir selber bei Schlecker arbeiten und nun plötzlich trotz allem Hoffens arbeitslos geworden wären. Wenn wir statt wenig Lohn nur noch Stütze vom Staat erhalten würden.
Wir wollen Gerechtigkeit ... doch ist eine Schleckerinsolvenz gerecht wenn 10000 ihren Job verlieren. Ist es sozial bei anderen Unternehmen zu helfen und bei Schlecker nicht.
Wir fangen sicherlich die Mitarbeit von Schlecker beim Arbeitsamt auf, doch ist das für viele der direkte Abstieg ins Harz4 und für Frauen über 45 ganz oft die Arbeitslosigkeit bis zur Rente und die damit verbundene Altersarmut.
Wenn wir es schon nicht ändern können, wäre Mitgefühl angebracht.
Katharina
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